Umstrittene Szene in TOP 8 Match der DLC Melbourne bringt Goldenen Micky

Bei der Disney Lorcana Challenge in Melbourne, Australien ist es im Featured Match der TOP 8 zwischen Jesse Lentini und Clement Fusade zu einer umstrittenen Szene gekommen, die Jesse womöglich den Sieg gekostet hat.

Die Ausgangssituation

Was war passiert? Es ist das dritte und entscheidende Spiel im Match um den Einzug in das Halbfinale und damit um den Erhalt eines begehrten goldenen Micky. Jesse ist am Zug und hat einen erschöpften Zauberbesen – Hüter des Illuminarium auf dem Feld. Nun spielt er eine Merlin – Ziege aus und kündigt die Ausführung des Effekts der Ziege an. Beide Spieler notieren sich die zusätzliche Legende für Jesse. Als nächstes möchte Jesse den Effekt des Zauberbesens benutzen, da seine Auslösebedingung durch das Ausspielen der Ziege erfüllt ist. Er möchte den Besen verbannen und eine Karte ziehen. Hier greift sein Gegner Clement ein. Laut Clement hätte Jesse den Effekt des Besens ankündigen müssen, bevor er den Effekt der Ziege ausgeführt hat. Daraufhin wird ein Judge hinzugezogen und die Übertragung pausiert. Nach einer kurzen Unterbrechung wird das Spiel fortgesetzt und man sieht, dass der Zauberbesen wieder auf dem Feld liegt. Seine Ausführung wurde tatsächlich verhindert. Der Judge hatte also zu Gunsten von Clement entschieden.

Die Regel mit dem Beutel

Im Disney Lorcana TCG gibt es für die Ausführung von Effekten eine wichtige Kernregel: „Der Beutel“ (oder auch engl. „Bag“). Alle Effekte, deren Auslösebedingungen erfüllt wurden, landen automatisch in diesem Beutel. Der zugehörige Spieler darf diese dann in beliebiger Reihenfolge aus diesem „herausholen“ und ausführen.

8.7.3. Immer wenn die Bedingung einer ausgelösten Fähigkeit erfüllt ist, wird die Fähigkeit von dem Spieler, der die Karte mit der ausgelösten Fähigkeit gespielt hat, in den Beutel gelegt. Wenn mehrere Fähigkeiten gleichzeitig ausgelöst werden, werden sie von den jeweiligen Spielern gleichzeitig in den Beutel gelegt.

8.7.4. Dann wählt der aktive Spieler eine beliebige seiner ausgelösten Fähigkeiten aus, und führt diese vollständig aus. Wenn die Ausführung einer Fähigkeit eine andere Fähigkeit auslöst, wird die neue ausgelöste Fähigkeit in den Beutel gelegt, sobald die Ausführung der aktuellen Fähigkeit abgeschlossen ist.

Diese Regel sollte nahezu allen Spielern bekannt sein. Besonders die Spieler im Top Cut einer Disney Lorcana Challenge, wie es hier der Fall ist, kennen diese Regel ganz genau.

Das wird auch durch eine Situation etwas früher im Match deutlich. Im zweiten Spiel des Matches gab es nämlich genau die gleiche Situation. Statt der Ziege wurde hier aber eine Die weiße Rose – Juwel des Gartens gespielt. Dies hat Clement mit einem Nicken akzeptiert. Warum also das ganze?

„Rule-Sharking“, die Regeln zu seinem Vorteil nutzen

Für Clements Verhalten gibt es einen einfachen Grund. Dazu muss man sich in beiden Fällen die aktuelle Lage im Spiel anschauen.

Situation in Spiel 2 mit der Weißen Rose und dem Zauberbesen

In der ersten Situation hat Jesse eine Madame Mim – Schlange, einen Zauberbesen und die neu ausgespielte Rose auf dem Feld. Clement hingegen nur Tipo – Wachsender Sohn. Auch in diesem Fall entscheidet sich Jesse, den Besen zu verbannen um eine Karte zu ziehen. Warum greift Clement hier nicht ins Spiel ein? Ihm ist es an dieser Stelle egal, ob der Besen liegt oder nicht. Man könnte sogar eher sagen, dass Clement es gut findet, dass der Besen nicht mehr auf dem Feld liegt. Tipo hätte diesen nämlich nicht durch eine Herausforderung verbannen können. So nimmt sich Jesse (abgesehen vom Card Draw) nämlich einen Charakter und potenziellen Quester vom Feld.

Konfliktsituation in Spiel 3 mit der Ziege und dem Zauberbesen

Schauen wir uns nun die strittige Situation an. Was ist der Unterschied an dieser Spielsituation und der vorherigen? Richtig, Maui – Halb-Hai. An dieser Stelle sei noch angemerkt, dass Clement keine Handkarten mehr hat. Im Ablagestapel hat er aber ein Entwickle dein Gehirn. Durch eine Herausforderung von Maui gegen den Zauberbesen, hat er also die Möglichkeit wieder mehr Ressourcen zu erhalten. Der Unterschied in beiden Situationen liegt also darin, dass Clement im zweiten Fall einen Vorteil davon hat, wenn ein erschöpfter Charakter auf dem Spielfeld liegt. Hier kommt das „Rule-sharking“ ins Spiel. Beim „Rule-sharking“ versucht ein Spieler sich ohne Rücksicht auf Fairplay durch Regeln einen Vorteil zu verschaffen. Aber wie soll er sich durch eine Regel einen Vorteil verschaffen? Schauen wir uns dazu die folgende Regel in den Tournament Rules an:

4.3 In-Game Information

[...]

When a player has multiple simultaneous actions to resolve, that player must announce the order of resolution before beginning to resolve the first one. The order can’t change once the first action has begun.

Übersetzt: Wenn ein Spieler mehrere gleichzeitige Aktionen aufzulösen hat, muss er die Reihenfolge der Effekte vor Beginn der Ausführung der ersten Aktion ankündigen. Die Reihenfolge kann nach Beginn der ersten Aktion nicht mehr geändert werden.

Diese Regel aus den Tournament Rules steht im Konflikt mit den oben genannten offiziellen Spielregeln zum Beutel. Bei den Tournament Rules und den Offiziellen Spielregeln handelt es sich um zwei verschiedene Dokumente. Was gilt also? Laut Ravensburger Mitarbeiter Kyle ist der Fehler in den Tournament Rules bekannt, nur leider noch nicht aus den Regeln entfernt worden. Das hat er auf dem offiziellen Disney Lorcana Discord bereits vor dem Turnier am 29.01. bestätigt.

Yeah, we're well aware of that line being incorrect. It is, quite literally, the first thing on the chopping block when the docs are next updated (and will probably be replaced with a more correct breakdown)

Übersetzt: Ja, uns ist bewusst, dass diese Zeile nicht richtig ist. Das ist quasi das erste, was bei der nächsten Aktualisierung der Dokumente gestrichen wird (und wahrscheinlich durch eine genauere Aufschlüsselung ersetzt wird)

Clement hat also auf Basis dieser fehlerhaften Regel sein Glück versucht und die Unerfahrenheit des anwesenden Judges erfolgreich ausgenutzt, da dieser zu Gunsten von Clement entschieden hat. Leider hat Jesse an dieser Stelle nicht daran gedacht, dass er den Head Judge verlangen kann. Das Unheil nahm dann seinen Lauf und durch das Snowballing mit Maui und Entwickle dein Gehirn konnte Clement dann ins Spiel zurückfinden und es schließlich gewinnen.

Dies war nicht der erste Fehltritt von Clement. In der Vergangenheit gab es bereits bei einem Webcam Turnier einen Zwischenfall, wo er durch Deck Stacking negativ aufgefallen ist. Dies hat er später gestanden und angeblich auch bereut.

Konsequenz ohne Judge Programm

Dieser Zwischenfall ist leider die Konsequenz aus einem fehlenden Judge Programm. Es gibt zum aktuellen Zeitpunkt keine Zertifizierung oder ähnliches, dass man die Regeln vom Disney Lorcana TCG beherrscht. Es kann sich also wirklich jeder für einen Judge Posten bewerben ohne wirklich geprüft worden zu sein. Das begünstigt leider solche Entscheidungen wie hier in Melbourne geschehen. Es wird damit höchste Zeit, dass Ravensburger ein Judge Programm ins Leben ruft, um solche Fehlentscheidungen zu vermeiden. Besonders bei so hochpreisigen Turnieren, wie hier. Es ging in diesem Match schließlich um einen Goldenen Mickey der zwischen 13.000 € und 20.000 € gehandelt wird und eine eventuelle spätere Qualifikation zur Weltmeisterschaft. Diese hat sich Clement dann nämlich mit dem Einzug ins Finale gesichert, was er dann aber gegen den deutschen Dinh Khang Pham verloren hat.

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